Liebe Leserin, lieber Leser,

beim Rückblick auf die letzten 360 Tage der Wirtschaftsprüfung kommt man an der EY-Sachverständigenanhörung im PUA-Ausschuss nicht vorbei. Wenig trugen die Aussagen des Chefs der internen Qualitätssicherung zur Aufklärung bei. Bessere Einblicke in die EY-Prüferjahre 2016 bis 2020 förderte die Auswertung der EY-Arbeitspapiere durch die Abgeordneten zu Tage.

 

Dann wollen wir Sie informieren über die Entscheidung der Rechtsaufsicht im BMWi zum Umfang der Qualitätskontrolle bei den Big4-Gesellschaften. Lesen und prüfen Sie bitte, ob diese Vorgehensweise eine hinreichende Prüfungssicherheit bei Big4 liefern kann.

 

Zum Abschluss berichten wir über eine wissenschaftliche Studie von Uni.Prof. Dr. Hansrudi Lenz, Dr. Loscher und Dr. Löhlein über den Streit der Deutungshoheit in der deutschen Wirtschaftsprüfung in den Jahren 1998 bis 2018. Das für wp.net positive Forschungsergebnis in Zeiten der Regulierung der Abschlussprüfung betrachten wir als „wissenschaftlichen Ritterschlag“ für den Einsatz der wp.net-Vertreter.

 

Wirecard-EY-Prüferversagen bekommt einen kleinen Bruder


Anscheinend verspüren Mitglieder aus der Prüfergruppe der NextTen die Sehnsucht, EY nicht alleine im Prüferskandal stehen lassen zu wollen. Die bislang eher weiße Ebner-Stolz-Prüferweste bekam durch die fragwürdigen Risiko- und Forderungsprüfungen mächtig Schmutz ab. BaFin (wer ist BaFin?) knöpfte sich inzwischen Ebner Stolz vor, gab jedoch die Prüfer-Affäre gleich an die APAS weiter. Diese soll nun prüfen, ob bei Greensill „sauber“ geprüft wurde.


Finanz-szene.de suchte die Antwort auf die Frage: Wie viel Wirecard steckt im Fall der Bremer Greensill Bank.

ENRON kommt EY-Germany immer näher..


An Ostern 2020 deutete sich schon an, dass das Wirecard-Theater für EY kein gutes Ende nehmen könnte und trotzdem prüfte EY den Jahresabschluss 2019 immer noch in Richtung uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Das EY-Team hatte in der Schlussphase wohl nicht mit der Standhaftigkeit des KPMG-Forensikers Herrn Geschonnek, gerechnet. 


Wir können festhalten: In unserem Berufsstand nimmt das „EY-Prüferversagen“ bei Wirecard immer noch den ersten Rang ein. Deswegen waren wir sehr gespannt auf die 2. Anhörung von EY-WP Dr. Christian Orth, die am 18. März stattfand.

Schlanke interne EY-Qualitätssicherung und vom Risikoansatz befreite APAS


In der 32. Sitzung am 19. März startete der PUA-Wirecard den 2. Anlauf, etwas mehr über die Einholung von Prüfungsnachweisen bei Wirecard durch EY in Erfahrung zu bringen: Mit Herrn Dr. Christian Orth war der Chef der (internen) Qualitätssicherung bei EY nochmals als Zeuge geladen. 


Orth stellte seine Abteilung vor: Die Abteilung EY-Qualitätssicherung ist für kritische Fragestellungen und auch Konsultationen aus den Prüfungsteams zuständig, Arbeitspapiere werden nicht reviewt, dies erledigt der auftragsbegleitende Qualitätssicherer, ebenso macht seine Abteilung keine Prüfungshandlungen. Ob Orth auch für die Nachschau zuständig sei, wurde gar nicht gefragt und ungefragt sah Dr. Orth wohl auch keinen Grund, dazu Auskunft zu geben. 

Was anhand dieser geringen Tätigkeitsfelder zur Qualitätssicherung bei EY beigetragen hat, wurde nicht deutlich.

Sowohl die APAS, als auch die interne Qualitätssicherung der EY untersuchten die Wirecard- Prüfung wohl nie unter dem Risiko-Blickwinkel des Betrugs. Jedenfalls verlor Herr Orth keine Silbe über Ergebnisse der internen Nachschau beim Wirecardmandat, obwohl es von Seiten der EY-Leitung als High-Risk-Mandant eingestuft war. Die APAS selbst hatte seit 2016 kein Risiko bei Wirecard gesehen und immer wieder einen weiten Bogen um die Wirecardprüfung gemacht, obwohl sie jährlich bis zu 10 Aufträge risikoorientiert bei EY „untersucht“ hatte.

Da Herr Orth die interne Nachschau in seinen vielen Ausführungen nie erwähnte, kann man wohl davon ausgehen, dass die Nachschau als wichtiger Teil der internen Qualitätssicherung zumindest in Bezug auf Wirecard keine Rolle gespielt hat.

Bankbestätigungen waren für EY bei den Treuhandkonten nicht erforderlich

 

Ein wichtiges PUA-Gesprächsthema war die Prüfung der Treuhandkonten. Bei den Schilderungen zur Prüfung der „Fake-Bankguthaben“ berief sich Dr. Orth auf PS 302: „Keine Bankbestätigungen erforderlich“. Auch wenn die Parlamentarier bei Dr. Orth immer wieder insistierten, es werden doch Forderungen als Liquide Mittel ausgewiesen, blieb Dr. Orth bei seiner Verteidigungslinie: „Die Prüfungsstandards verlangen keine Bankbestätigung bei Treuhandverhältnissen.“ Der Prüfer braucht nur vom Treuhänder die entsprechenden Nachweise einholen, was EY getan haben soll. Dies waren dann Treuhänderbestätigungen.


Mir kam dabei immer wieder der Dobelli-Aufsatz „Checklisten machen blind“ in den Sinn. In seinem Bestseller „Die Kunst des klugen Handels“ beschreibt Dobelli die Schlagseiten der Checklistenprüfung.

Die EY-Prüfer haben bei der Prüfung des „Treuhand-Bankkontos“ wohl nur Checklisten abgearbeitet (Liegen Treuhänderbestätigungen vor?). Auf Basis kritischer Grundhaltung wären belastbare Prüfungsnachweise einzuholen gewesen (Kann Wirecard nachweisen, dass die behaupteten Bankguthaben existieren?). Denn nach § 320 HGB muss nicht der EY-Prüfer das Bankguthaben nachweisen, sondern Wirecard dem Prüfer. Wir empfehlen EY, den Aufsatz von Mark Schüttler (Prüfung von Treuhandkonten auf Vorhandensein, DB Nr. 36, S. 1862f.) zu studieren.

Viele Aussagen von Dr. Orth waren für mich inhaltsleer und dienten wohl eher der Rechtfertigung des EY-Prüfungsvorgehens. Bei der Aufarbeitung der relevanten Abschlussprüfungen wäre er zurzeit selbst noch mit den Jahren 2018 und 2019 beschäftigt. Keine Kenntnisse hatte Dr. Orth über die Jahre 2015 bis 2017. Derweil waren dies die entscheidenden Jahre, wie  später noch gezeigt wird.

 

EY-Dokumente aus 2016 belasten das EY-Prüfungsteam schwer

 

Mehr Druck musste Dr. Orth verspüren, als der Ausschussvorsitzende Gottschalk Herrn Orth mit zwei internen Dokumenten aus 2016 konfrontierte. Diese Papiere deuteten für den PUA anscheinend auf eine Mitwirkung von EY bei der Einrichtung der Treuhandkonten hin.

 

Rückblick auf Presseberichte über den Wirecardabschluss 2015  

Der Analyst Borgwerth entdeckte im Wirecard-Jahresabschluss 2015 250 Mio. EUR Forderungen, die es nicht geben durfte!

Borgwerth konfrontierte 2016 das Wirecard-Management mit seinen Analysen zum Jahresabschluss 2015: Die Forderungen seien um satte 250 Mio. EUR zu hoch ausgewiesen. Vgl. auch Bergermann & Ter Haseborg, Wirecard Story, Kapitel 8, Seite 97ff.

Borgwerth kommt mit Heinz-Roger Dohms ins Gespräch und daraus entsteht im Manager Magazin der Aufsatz zum 250-Millionen-Euro-Rätsel im Wirecard-Jahresabschluss 2015. Rückfragen von Dohms bei Wirecard zu den hohen Forderungen begründet Wirecard mit sog. rollierenden Sicherheitseinbehalten. Borgwerth vermutet, dass der erste Teil des Betrugs schon 2010 gestartet sein könnte. Damals noch ohne fiktive Bankguthaben, aber dafür fiktive Forderungen.

Unsere Schlussfolgerungen:

Wir halten es für möglich, dass die Einführung der Treuhandkonten und die Umwandlung der Forderungen in liquide Mittel ab 2016 die Antwort auf die Untersuchungsergebnisse des Analysten Thomas Borgwerth und der Berichterstattung durch Heinz-Roger Dohms in Manager Magazin 2 2017 gewesen zu könnte. 

 

Das Wirecard-Wunder: Forderungen verwandeln sich in Cash


Für die Abgeordneten erhellender als die Aussagen von Dr. Orth war vermutlich die Auswertung der internen EY-Arbeitspapiere. Hier wurden Sie vom Team um das IDW-Verstandsmitglied Wambach aus dem Hause Rödl unterstützt. Die Abgeordneten hielten mit kritischer Grundhaltung Ausschau, wann denn der Betrug bei Wirecard die Fahrt aufgenommen haben könnte. Dazu konfrontierte der PUA-Vorsitzende Gottschalk Herrn Dr. Orth mit zwei Geheimpapieren. Eines trägt den Namen „Concurrence Memo Support“. Aus dem anderen durfte nicht mal zitiert werden.


In einem der Papiere lässt sich die Leitung des EY-Prüfungsteams nach der Durchführung einer Prozessanalyse vom Wirecard Management das Drittpartnergeschäft als korrekt beschrieben bestätigen. Aus dem Papier geht nicht hervor, dass sich EY durch Prüfungshandlungen von der gesamten Prozessbeschreibung überzeugt hat oder nur die Sprachregelung von Wirecard übernommen hat. 


In einem weiteren Papier wird von EY beschrieben oder geregelt, dass sich Wirecard alle Umsätze und Verbindlichkeiten mit den Drittpartnern zurechnet. Später werden die offenen Forderungen und Sicherheitseinbehalte in die Treuhandkonten überführt. Dies alles, obwohl das Acquiring komplett auf Drittpartner ausgelagert war. Wirecard war nur für die Akquise und Kundenpflege zuständig. 


Weiter war vereinbart, dass die Provisionen für Wirecard als Forderungen auflaufen. Nach sechs bis neun Monaten sollen diese Forderungen fällig werden. Zur Vermeidung der Fälligkeit werden die Forderungen in Sicherheitseinbehalte umgewidmet. Damit wäre auch das Problem „Fälligkeit“ erledigt. 


Die Geschäftsvorfälle mit den Kunden werden nicht einzeln nachgewiesen, sondern auf Dreimonatsbasis konsolidiert. Einzelnachweise über Transaktionen gab es deswegen nicht, auch nicht für die Abschlussprüfer.


Zurück zu den Untersuchungen des Analysten Borgwerth: Als im Folgejahr die bisherigen Drittpartner-Forderungen verschwunden waren und dafür hohe Bankguthaben auftauchen, versteht Thomas Borgwerth die Welt nicht mehr. Es plagen ihn Selbstzweifel und er fragt sich, ob er bei seiner Analyse des Jahresabschlusses 2015 nicht einen Fehler gemacht habe? Waren die Forderungen also doch werthaltig und wurden bezahlt? Borgwerth konnte sich damals nicht vorstellen, dass ein Wirtschaftsprüfer den „Taschenspielertrick“ (Originalton Gottschalk) mitmachen würde. 

Lehrreich und verständlich im Interview Herr Bergworth im Podcast-Spezial auf der Website von finanz-szene, Teil 3: „Der Untergang“.  

Deutsches Börsenwunder!

Die Bibel berichtet von der Verwandlung von Wasser in Wein. Wirecard "schafft es", aus nicht vorhandenen Forderungen Cash zu zaubern.  

Drittpartnergeschäft ohne Partner 

Die Realität des Drittpartnergeschäfts sah anders als beschrieben aus. Das Handelsblatt berichtet über die Zeugenanhörung des Herrn Steinhoff, früher Compliance-Chef bei Wirecard am 18.3. Er erzählte den Parlamentariern, dass es bei Wirecard keine Nachweise für Akquise und Kundenpflege gab, obwohl dies die Hauptaufgabe Wirecards gewesen sei. 

Laut Steinhoff gab es keine Kommunikationsunterlagen, keine Preislisten, keine Risikoprozesse zur Kundenüberprüfung, keine Verrechnungsgrundlagen für Einzahlungen auf den Treuhandkonten. Steinhoff ist deswegen überzeugt, dass es „das Drittpartnergeschäft und das Geld auf den Treuhandkonten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht“ gab. Angebliche Kontobelege enthielten Schreibfehler, Millionentransaktionen sollten per Handy angewiesen worden sein, von den vermeintlichen Kunden beschwerte sich keiner nach dem Untergang von Wirecard.

Danach ist die Darstellung von EY zur Bruttobilanzierung komplett falsch, stellt abschließend Herr Gottschalk fest.

 

Hat EY beim Taschenspielertrick von Wirecard weggeschaut?

Der "Taschenspielertrick" mit den Treuhandkonten vermittelt den Eindruck, als würden Drittpartner von Wirecard offene Rechnungen per Überweisung bezahlen – tatsächlich existierten die damit angeblich umgesetzten 1,9 Milliarden Euro (Stand Ende 2019) nicht. 

Nach Aussage von Herrn Gottschalk hat EY 2016 die Weichen in das Verderben von Wirecard und der Anleger gestellt. Für Gottschalk geht es nur noch um die juristische Klärung der Frage:

 

Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz?

 

Es drängt sich ihm, Herrn Gottschalk, bei den entdeckten Geheimpapieren der Verdacht auf: Man wünschte sich quasi vonseiten EY: Bitte bestätigt uns das, damit wir dieses Bruttoprinzip, was verheerend ist, dann entsprechend auch anwenden können.

Weiter führt Herr Gottschalk aus: 

„Vor 5 Jahren, also 2016, wurden sozusagen die Weichen hinab in den Grand Canyon gestellt. 2016 haben die EY-Leute das erkannt und lassen sich dies vom Management bestätigen.

 

Warum errichtet ein auf Gewinn ausgerichteter Kaufmann ein Geschäft, aus dem er sich zwar Gewinne ausweist, aber er nie das Geld kommt?

Und wie kann ein Wirtschaftsprüfer ein solches Geschäftsmodell durchwinken, mit dem nie Geld beim Prinzipal - was Sie hier noch empfehlen: das Bruttoprinzip - ankommt?“

Frage von Herrn Gottschalk an Herrn Dr. Orth, dem Chef der internen EY-Qualitätssicherung: Wie sehen Sie dies?

 

Antwort von Dr. Orth:

 

- Mir ist dieses Papier nicht bekannt.

 
Zum Abschluss ein Zitat aus dem Hause EY: Es geht um den EY-Anspruch an sich selbst, wie er auf der EY-Website zu lesen war: 

„Mit unserem umfassenden Wissen und der Qualität unserer Dienstleistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Kapitalmärkte und Volkswirtschaften.“

Mittelstandsabteilung von Minister Altmaier outet sich wieder einmal als Unterstützer der Big4


Die fast zwanzigjährige Wegstrecke des wp.net mit dem Wirtschaftsministerium ist geprägt von großen Enttäuschungen seitens des BMWI. Hatten wir zuletzt 2015/2016 schon gedacht, diese Enttäuschung könnte nicht mehr getoppt werden, wurden wir doch wieder eines Besseren belehrt.


Jüngst hat das BMWi der mittelständischen Wirtschaftsprüfung und den WP-Einzelpraxen eine weitere Diskriminierungsklatsche verabreicht. Im Streit um angemessene Qualitätskontrollen bei den großen Gesellschaften, insbesondere bei den Big4, stellte sich das BMWi auf die Seite der Big4 und gegen wp.net-Forderungen.


Die Abteilungsleitung Mittelstand (von uns eher als Anti-Mittelstandsabteilung empfunden) im Wirtschaftsministerium hat als Rechtsaufsicht zur Frage, ob alle verantwortlichen Wirtschaftsprüfer mindestens einmal in sechs Jahren in die Auftragsstichprobe der Qualitätskontrolle aufgenommen werden müssen, sich auf die Seite der Big4 gestellt. Das BMWi schreibt am 9.März an Herrn Gschrei. „Auch wenn sich der Effekt der Berücksichtigung einer wirksamen Nachschau bei der Auftragsauswahl faktisch stärker für die großen Praxen auswirken dürfte, (Anm.: Ersatz der Auftragsprüfungen durch interne Nachschauen) stellt dies keine intendierte (Anm.: beabsichtigte) Diskriminierung von kleineren Praxen dar. Dies ergibt sich einfach aus der Natur der Sache.“ 


Mit anderen Worten: Entgegen der ausdrücklichen Vorgabe der WPO, die verhältnismäßige Qualitätskontrolle verpflichtend für die kleineren Praxen einzuführen, werden die großen Gesellschaften mit einer Skalierung mittels Nachschau begünstigt. Wo hier die Natur der Sache sich bemerkbar macht, sucht man vergeblich.  Die Natur der Sache müsste sich doch eher dadurch bemerkbar machen, dass auch die kleineren mittelständischen Praxen und Einzelpraxen eine ebenso „skalierte“ Qualitätskontrolle erhalten, wie sie die Großen Gesellschaften von der KfQK bekommen haben. D.h. im Wesentlichen ersetzen wirksame Nachschauen die aufwendigen Auftragsprüfungen. 

Alles andere ist für uns keine Mittelstandspolitik, sondern Sozial-Darwinismus.

Die Vertreter der großen Praxen und Big4 in der KfQK haben sich im Hinweis zur Durchführung und Dokumentation der Qualitätskontrolle diese Spielregeln für Ihre Qualitätskontrolle gegeben, die Rechtsaufsicht hat dies mit Ihrem Schreiben vom 09.03.21 abgesegnet.

Das EU-Land Österreich schreibt vor, dass jeder verantwortliche Wirtschaftsprüfer mindestens einmal in die Qualitätskontrolle kommen muss. Österreich ist jedoch für die deutsche Regierung nicht maßgeblich. Die deutsche Satzung f. QK macht für die großen Gesellschaften anscheinend den Weg frei, die Qualitätskontrolle über das Konstrukt der wirksamen Nachschau abzuwickeln, von einigen wenigen Auftragsprüfungen abgesehen.

Deswegen behaupten wir weiter, dass bei den Big4-Qualitätskontrollen die Auftragsprüfungen fast ausschließlich durch die Nachschaueinsichten ersetzt werden. Dieses Vorgehen entspricht nicht unserem Verständnis einer gesetzlichen Qualitätskontrolle nach § 57a WPO.

Bei den Big4-Qualitätskontrollen gibt sich die Fachaufsicht APAS mit einer Stichprobe von einem Promille der Aufträge zufrieden. Bei kleinen Praxen und Einzelpraxen verlangt die APAS (gehört zur Rechtsaufsicht) den Nachweis der Stabilität des Qualitätssicherungssystems über sechs Jahre. Dies hat dann eine Auftragsquote von 10 bis 20% zur Folge.

Warum diese 6-Jahresstabilität für die Big4- und Großen Gesellschaften nicht eingefordert und überprüft wird, bleibt ein BMWi-Geheimnis.

Internationaler Fachbeitrag über wp.net: „Die Passivität der mittelständischen Wirtschaftsprüfer ist in Bezug auf Deutschland ein Mythos“

 

Mit der Gründung von wp.net 2005 sollte ein politisches Gegengewicht zum Verbandsmonopolisten IDW geschaffen werden. Das IDW profilierte sich ab 2000 immer mehr als starker Big4-Lobbyist und unterstützte das Big4-Geschäftsmodell der "Professional Service Firm".  Die im Jahr 2000 - auch mit den Vertretern aus kleineren Praxen und Mittelstand - von WPK und IDW beschlossene Einführung der Qualitätskontrolle, bedrohte die freiberuflichen Abschlussprüfer mit dem Exit aus der Abschlussprüfung.

Zum 15-jährigen Jubiläum von wp.net 2020 haben wir eine Kurz-Chronik auf der Basis von Mahatma Gandhi über 15 Jahre wp.net erstellt. Wir beschreiben darin den Start von wp.net 2005, als wir zuerst ignoriert und mit unseren Forderungen (z.B. Briefwahl für Alle) belächelt wurden. Als wir dann die Wahlen 2011 zu 100% bei den WPs gewonnen hatten, wurden wir bekämpft. Gschrei trat als WPK-Präsident zurück, um wp.net für den WP-Mittelstand und Einzelpraxen zu retten.


Trotzdem haben wir unseren politischen Gegnern die Rückkehr in die WPK durch die Einführung der Verhältniswahl ermöglicht. Zum Dank wurden wir 2014 von der Herzigliste unter Präsident Ziegler aus dem Vorstand verbannt. Erst mit dem Wahlergebnis 2018 mit 47% musste man wohl die Gschrei/Eschbach-Listen in den Vorstand mitnehmen, um die WPK als Selbstverwaltungskörperschaft zu retten. Hier kommen Sie zur Kurzchronik.

 

Der Ritterschlag für die wp.net-Leistungen in den letzten zwei Jahrzehnten

In der angesehenen internationalen WP-Zeitschrift European Accounting Review wurde im Februar 2021 eine zweite wissenschaftliche Abhandlung über die Leistungen von wp.net veröffentlicht. Ein erster Artikel von Dr. Löhlein/Müßig erschien bereits im April 2020 in der Accounting, Organisations and Society. 

Die Studie aus 2021 geht auf den Würzburger Uni-Professor Hansrudi Lenz zurück.  Mit-Autoren sind der wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Kaiser an der Bundeswehr-Hochschule München-Neubiberg, Herr Dr. Georg Loscher; Dr. Loscher wurde im Aug. 2020 einer breiteren Leserschaft der FAZ bekannt. Er veröffentlichte seine kritische Sicht auf die "Big4-Professional Service Firm" unter dem Titel „Die schleichende Erosion“. In seiner Diss. 2015 untersuchte Dr. Loscher die Steuerung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Der dritte Autor ist Dr. Löhlein. Dr. Löhlein und Frau Anke Müßig haben bereits 2020 die wp.net-Aktivitäten bis Ende 2016 in der Zeitschrift Accounting, Organizations and Society beschrieben. Titel der englisch sprachigen Abhandlung: At the boundaries of institutional theorizing: Individual entrepreneurship in episodes of regulatory change.

 

Die wissenschaftliche Forschungsarbeit von Prof. Lenz & Co. über Leistungen von wp.net bis 2018 trägt den englischen Titel: Dual Roles and Blurred Identities: A Framing Contest between Professional Associations in a Local Strategic Action Field 

Zu Deutsch: Lokale Reaktionen von Berufsverbänden auf globale Anforderungen der Prüfungsstandardisierung (in Deutschland).

 

Zusammengefasst geht es in dieser wissenschaftlichen Arbeit um Folgendes: 

Die Autoren untersuchen die lokalen Reaktionen zweier deutscher Berufsverbände auf die globalen Anforderungen zur Standardisierung des Prüfungswesens. Diese Längsschnittstudie reicht von 1998 bis 2018 und zeigt, wie die Berufsverbände der deutschen Wirtschaftsprüfer in einen intensiven Wettbewerb über „Deutungsmuster“ bei der Einführung externer Qualitätskontrollen eintraten.

 

Auf der Grundlage des Konzeptes der strategischen Handlungsfelder und der Literatur über Deutungsmuster verdeutlichen die Autoren, wie die Kluft zwischen großen und kleineren Prüfungsgesellschaften/Einzelpraxen zunehmend die Fähigkeit der Berufsverbände untergrub, ihre doppelte Rolle - Steuerung und Überwachung einerseits, und Interessenvertretung andererseits - zu erfüllen.

 

Es wird aufgezeigt, wie der gescheiterte Versuch, das Bild eines einheitlichen Berufsstandes aufrechtzuerhalten, schließlich 2005 zur Gründung einer neuen Berufsvereinigung (wp.net e.V.) führte. Dieser vertrat den Berufsstand der „kleineren Wirtschaftsprüferpraxen und die Einzelpraxen", die damals und auch heute noch die Mehrheit der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer stellen. Nach der Wahlrechtsänderung 2010 hatte wp.net, nach den Beiratswahlen 2011 auf Briefwahlbasis  - wenn auch nur vorübergehend - die Kontrolle über eine wichtige interne Governance-Institution, der WPK, übernommen.

 

Nach Autorenmeinung deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass die bislang unterstellte Passivität kleiner Prüfungsgesellschaften und Einzelpraxen beim Prozess der Umsetzung globaler Regulierungen nicht per se unterstellt werden sollte. Jedenfalls ist dies für Deutschland nun nachgewiesen.

 

Vielmehr geben die neuen Forschungsergebnisse einen Einblick in die Art und Weise, wie kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihre eigene Identität neu aufbauen/erfinden können, indem sie aktiv auf die globale Regulierungswelle reagieren. Dies gilt vor allem auch deswegen, weil im Gegensatz zu früheren Forschungen, die Steuerungsinstitutionen innerhalb strategischer Handlungsfelder nicht unbedingt mit den Interessen der mächtigsten Feldakteure (IDW, Big Four) übereinstimmen. 

Mit diesem positiven Forschungsergebnis verabschieden wir uns heute bei Ihnen und wünschen Ihnen ein schönes Osterfest 2021 im Kreise Ihrer Lieben.

Herzliche Grüße
Ihr Michael Gschrei