Blick in den großen WPK-Sitzungsraum anlässlich der letzten Präsenz-Beiratssitzung 12.2019

 

Liebe Leserin, Lieber Leser,

wir berichten über zwei Angelegenheiten, die uns in der vergangenen Woche sehr beschäftigten.


Zum dritten Mal wurde die Beiratssitzung in Berlin durch eine Online-Beiratsinformations-Veranstaltung ersetzt. Trotz dieser widrigen Umstände haben sich die wp.net-Beiräte ins Zeug geworfen und auch etwas erreicht. Lesen Sie dazu den ersten Artikel.


Aus der Düsseldorfer IDW-Zentrale erhalten wir starken Gegenwind wegen unseren jüngsten Prüfungshinweis zur Prüfung mittelständischer Lageberichte. Lesen Sie dazu den 2. Artikel.


Wir wünschen Ihnen interessante Leseminuten.

 

Zum 3. Mal keine Beiratssitzung in Berlin

 

In der letzten Beiratssitzung am 11.06. bereicherten wp.net-Anträge die Diskussionen und die Abstimmungen.

Die vom wp.net-Beiratssprecher Tobias Lahl nach Abstimmung mit den wp.net-Beiräten eingereichten und in der Online-Sitzung vorgestellten Anträge betrafen verschiedene Themen.

  • Die Beiratswahlordnung sollte geändert werden
  • Die wp.net-Mitglieder des Beirats möchten vom Gesamtvorstand eine Stellungnahme zu den EY-Prüfungsmängeln bei Wirecard und
  • Die wp.net-Beiräte verlangten nach einem Gutachten über die Rechtsauffassung der BMWI-Rechtsaufsicht im Zusammenhang mit den Promille-Qualitätskontrollen bei den Big4-Gesellschaften.


Zur Beiratswahlordnung


Prof. Stuhr hatte schon 2019 den Antrag gestellt, der aber in der Bearbeitung liegengeblieben ist. Es geht um die Kandidaten-Reihenfolge in den Beiratswahl-Listen. Den jeweiligen Listenplatz der Kandidaten und -innen sollen die Wahllisten selbst bestimmen können. Ergebnis: Der Vorstand wird in der Klausursitzung im August die Änderungswünsche aufgreifen und dann die Mitgliederbefragung vornehmen. In der Präsenzsitzung im Dez. 2021 soll der Beirat dann darüber abstimmen.


Tobias Lahl verlangte vom WPK-Vorstand Auskunft über dessen Sicht auf die EY-Prüfung bei Wirecard. Wie geht die WPK mit dem Reputationsschaden für den Berufsstand um und was sind die Konsequenzen. Präsident Ziegler erklärte dazu, dass EY in den Aufsichtsbereich der APAS falle und die WPK nichts unternehmen könne. Vertreter von wp.net wünschten sich eine bessere PR-Strategie der WPK, wie man z.B. die inzwischen bekanntgewordenen EY-Prüfungsmängel beurteilen soll. Bisher verweist der Präsident immer nur darauf hin, dass man nichts Konkretes wisse und auf die Untersuchungsprotokolle und das Wambach-Gutachten warte.


ISA-Übersetzungsmonopol


Dann berichtete Präsident Gerhard Ziegler auf Antrag von wp.net über den neuen ISA-Übersetzungsplan des IDW. Unsere Beiräte forderten mehr Transparenz zu den Übersetzungen der aktuellen ISA-Standards. Davon betroffen sind ISA 315rev. 2019, ISA 220rev.2016 und die ISQM 1 und 2. wp.net verlangte von der WPK, über die ISA-Übersetzungen laufend auf der WPK-Website zu berichten. Inzwischen hat das IDW den bisherigen Zeitplan für die Übersetzung der neuen ISQM 1 und 2 und ISA 220 noch für 2021 angekündigt. Wegen der späten ISA-Übersetzung soll nun die möglicherweise notwendige Anpassung der WP/vBP-Berufssatzung um ein Jahr bis 31.12.2022 hinausgeschoben werden.


KMU-Qualitätskontrolle ohne Augenmaß - QK bei Big4&Friends fast ohne Auftragsprüfungen


So unterschiedlich kann das Qualitätskontroll-Leben sein. Die diskriminierende Behandlung der kleinen und mittleren Praxen bei der Auswahl der Auftragsprüfungen im Rahmen der Qualitätskontrolle wurde von der Rechtsaufsicht damit begründet, dass die geringe Zahl der Big4-Auftrags-prüfungen "in der Natur der Sache liegen würde". Die Folgen aus der Berücksichtigung der Nachschau als Ersatz der Auftragsprüfungen wirkt sich bei den großen Gesellschaften stärker entlastend auf die Anzahl der Auftragsprüfungen aus (im Promillebereich). Diese anscheinend vom Darwinismus geprägte Auffassung wurde von Tobias Lahl stark kritisiert.


Nach dem Vortrag von Tobias Lahl soll auch Zweck des Gutachtens sein, für den Fall, dass die Rechtsmeinung des BMWI doch Bestand haben sollte, zusätzlich Vorschläge für Erleichterungen der mittelständischen WP-Praxen bzw. Einzelpraxen zu erarbeiten, die unmittelbar Eingang in die WP-Rechtsgrundlagen (Satzung für Qualitätskontrolle) finden müssen. Die KfQK ist an diesem Auftrag bislang bei Ihren Hinweisen gescheitert. Unsere vier Vertreter in der KfQK können gegen die große Mehrheit auf der anderen Seite nichts ausrichten.


Der Antrag wurde ergänzt um den Antrag auf geheime Abstimmung. Nach längerer Diskussion wurde vom Beiratsvorsitzer Dr. Ellerich dem Antrag stattgegeben.


WICHTIG – WPK Beiräte bitte an der Abstimmung teilnehmen


Ich möchte alle Mitglieder des Beirats der WPK bitten, an der geheimen Abstimmung teilzunehmen. Das Ziel des Antrags ist, die Stellungnahme des Ministeriums (siehe oben) auf seinen Rechtsgehalt hin zu untersuchen. Präsident Ziegler lehnte das Ansinnen mit der Begründung ab, gegen seine eigene Rechtsaufsicht könne man doch kein Gutachten erstellen lassen. Ob diese Ansicht von den Mitgliedern des Beirats geteilt wird, wird die Abstimmung zeigen.


Tobias Lahl,
Sprecher der wp.net-Beiräte in der WPK

 

IDW kämpft gegen ihren sinkenden Alleinvertretungsanspruch

 

Vor 16 Jahren gründeten wir wp.net. Unser Ziel war u.a., der mittelständischen Wirtschaftsprüfung eine prüferische Perspektive zu geben und damit den IDW-Anspruch auf Alleinvertretung des Berufsstandes aufzuheben. Ein Grund: Bei den IDW-Standards entdecken wir keine Skalierung für uns Mittelständler. Ein Arbeitskreis, der eine Skalierung der IDW PS bringen sollte, kam über das Entwurfsstadium (IDW E-PH 9.???.1 vom 20.03.2003) nicht hinaus. Seit dieser Zeit hat sich nicht viel für uns geändert. Deswegen macht wp.net immer öfters mittelstandsbezogene Facharbeit – und wohl auch sehr zum Ärger des IDW.


Wie nervös das IDW inzwischen ist, zeigt uns die jüngste Reaktion auf unseren wp.net Prüfungshinweis KMU-Lagebericht (März 2021). Direkt greift uns das IDW an: Der Hauptfachausschuss (HFA) erklärt unseren Hinweis für substanzlos. Er gewährleiste keine hinreichende Prüfungssicherheit. Die vom IDW festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) seien nicht erfüllt. Nicht einmal einen Anerkennungsprozess habe wp.net durchgeführt (vgl. IDW, Berichterstattung über die 264. HFA-Sitzung, 1.6.2021).


Das möchten wir klarstellen:

  1. Die scharfe Kritik des IDW scheint uns weniger fachlich, als vielmehr politisch motiviert: Das IDW fürchtet anscheinend um seine Alleinstellung bei der Facharbeit.
  2. Denn indem das IDW seine Verlautbarungen zu „deutschen Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung“ (GoA) überhöht, behauptet es seine alleinige Kompetenz zur Facharbeit (1). Dem ist entschieden zu widersprechen.
  3. Das HGB kennt in § 316ff. nämlich gar keine GoA, sondern nur GoB, die sind aber ganz etwas Anderes. Die ISA sollen erst nach Annahme durch die EU-Kommission angewendet werden (§ 317 V HGB). Die IDW-GoA sind weder Gewohnheitsrecht noch Richterrecht noch überhaupt irgendein Recht; dies stellt Thilo Schülke in seiner Diss. fest, S. 57. Also darf jeder Verband Facharbeit machen – auch wp.net. Der Alleinvertretungsanspruch des IDW ist nicht akzeptabel.
  4. wp.net spricht nur ein offenes Geheimnis aus, nämlich: IDW PS 350 n.F. wird im Mittelstand so gut wie nicht beachtet, da kaum verständlich, zu kompliziert und bestimmt nicht unentbehrlich. Die Skalierung suchten wir im IDW PS 350 n.F. vergebens. Wer als KMU-Prüfer braucht einen 53 seitigen IDW-Standard, um einen vierseitigen Lagebericht zu prüfen?
  5. Hier sei auch an die FISG-Eingabe des AK Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft erinnert (NZG 2020, S. 938ff). Die Professoren monieren den Designfehler, dass die Standards vom Berufsstand selbst entwickelt werden. Als weitere Fehlentwicklung wird moniert: Die ausführlichsten Standards begünstigen eine Prüfung durch „Hakenmachen“. Checklisten machen blind, dies wurde für uns auch wieder durch die EY-Wirecardprüfung bestätigt. EY-Vertreter behaupten, für die Prüfung der Mrd. hohen Bankguthaben würden Treuhänderbestätigungen als Prüfungsnachweise ausreichend sein. Für uns ein Beleg, dass mit den ausführlichsten Standards die gesetzlichen Berufspflichten auf der Strecke bleiben, obwohl diese weit über den Standards stehen.
  6. In IDW PS 350 n.F. sieht das IDW ihr Ideal der Lageberichtsprüfung. Dagegen muss der Prüfungshinweis von wp.net verstoßen, denn dessen Ziel ist gerade die Beschränkung auf das Mindestmaß der Prüfungshandlungen gewesen. Diesen Maßstab setzt der Gesetzgeber, nicht das IDW.
  7. Zur Betonung der Eigenverantwortlichkeit hat wp.net bewusst nur einen Prüfungshinweis gewählt, während das IDW einen Prüfungsstandard zur Lageberichtsprüfung machte. Hinweis und Standard unterscheiden sich in der Verbindlichkeit der Anwendung. Ein Hinweis empfiehlt, ein Standard verpflichtet.
  8. Für Hinweise kennt selbst das IDW keinen Anerkennungsprozess.
  9. Wer den IDW-Bestätigungsvermerk verwendet, kann leicht den Verweis auf die „vom IDW festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung“ z.B. durch die „vom IDW und von wp.net festgestellten Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung“ ersetzen. Entsprechendes gilt für den Prüfungsbericht.
  10. Allem IDW-Bedrohungsszenario zum Trotz: Der wp.net PH Lagebericht ist qualitätskontrollsicher.


Wir sind der Auffassung, das IDW muss lernen zu akzeptieren, dass ihr Alleinvertretungsanspruch als Designfehler aus der Zeit gefallen ist.
-----------------------------------------
1. Anscheinend als „Übergesetzgeber“ schafft sich das IDW die deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung durch Selbsteinsetzung. Dieser Anmaßung muss begegnet werden. Für Wittsiepe führt die Anwendung der dt. GoA des IDW zur Anwendung überalterter PS, siehe WP Praxis 2021/1 S. 8ff. Im Heft 3 von WP Praxis gehen die Forderungen von Herrn Wittsiepe noch ein Stück weiter: „Was die Mängel von ISA-DE 315 anbelangt, schreibt Wittsiepe, hilft offensichtlich nur ein sehr kurzfristiges Update auf die ISA Fassung 2019. Sofern das IDW dazu nicht in der Lage ist, sollte die Aufsicht zur weiteren Gefahrenabwehr die Anwendung von IDW Standards bei der Abschlussprüfung untersagen.“
2. Thilo Schülke, IDW-Standards und Unternehmensrecht, Zur Geltung und Wirkung privat gesetzter Regeln, Berlin 2014.

 

Zur IDW–Kritik vier Fragen an unser Mitglied, Mark Schüttler

 

Herr Schüttler, wie prüft der KMU-Prüfer den Lagebericht?

Er prüft, ob der Lagebericht mit seinen Erkenntnissen aus der Abschlussprüfung in Einklang steht und das Gesetz beachtet wurde. Dazu liest er den Lagebericht kritisch durch. Er stimmt im Wirtschaftsbericht die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mit dem Jahresabschluss ab. Er stimmt im Prognosebericht die voraussichtliche Entwicklung mit der Unternehmensplanung ab. Er beurteilt die Chancen und Risiken insbesondere auf Vollständigkeit. Passt der Lagebericht, ist der Prüfer fertig. Passt der Lagebericht nicht, muss die Geschäftsführung noch mal ran. Sonst wird eingeschränkt.


Entspricht dieses Vorgehen dem IDW PS 350 n.F.?

Nein, das tut es nicht. IDW PS 350 n.F. fordert weit mehr Prüfungshandlungen, z.B. soll man die Lageberichtsprüfung erst planen, dann den „Prozess“ zur Aufstellung des Lageberichtes aufnehmen und anschließend auf Wirksamkeit prüfen, das alles dokumentieren und noch viel mehr.


Was ist das Problem?

Im IDW-Prüfungsbericht und IDW-Bestätigungsvermerk bestätigt der Prüfer, die vom IDW selbst erklärten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung beachtet zu haben. Dazu gehört auch IDW PS 350 n.F. Damit macht sich der Prüfer auf der nächsten Qualitätskontrolle angreifbar – ganz gleich, ob der Lagebericht letzten Endes in Ordnung war oder nicht: Er hat IDW PS 350 n.F. kanzleiweit auf allen Prüfungen nicht beachtet.


Warum ist der wp.net PH LB qualitätskontrollsicher?

Ein KMU-Lagebericht ist ganz etwas anderes als ein PIE-Lagebericht. Da gibt es keinen „Prozess“ zur Aufstellung des Lageberichtes. Und was soll der Prüfer dort planen müssen? Dort muss viel weniger dokumentiert werden.


Der Prüfer muss hinreichende Sicherheit erlangen. Das ist klar. Aber wie er das tut, bleibt weitgehend ihm überlassen. Wichtig sind auch die Gewissenhaftigkeit und die kritische Grundhaltung. Und dass risikoorientiert geprüft werden muss, das sagt auch wp.net ganz klar.


Ansonsten betont wp.net die Eigenverantwortlichkeit des Prüfers. Die ist nämlich auch Berufspflicht. Der Prüfer muss innehalten, die Erkenntnisse aus der Abschlussprüfung reflektieren, und dann den Lagebericht prüfen. Das ist nicht so schwierig bei einem KMU-Lagebericht.


Ich wünsche Ihnen interessante Leseminuten.
Ihr Michael Gschrei
Geschäftsführender Vorstand wp.net e.V.