Winkeljohanns VW-Beratermillionen

PwC, Prüfer und Berater in Doppelfunktion
PwC-Sitz in München

Trennung von Prüfung und Beratung - für die EU einstmals Qualitätsmerkmal

Michel Barnier, EU-Kommissar bis 2014 schlug 2011 im Verordnungsentwurf die richtigen Antworten auf die Mängel der Big4-Wirtschaftsprüfung im Vorfeld der Finanzkrise vor.

Die Realität hat Michael Barnier überholt: Vom Parlament hat er nichts bekommen. Er ist - so das Handelsblatt im Dezember 2013 - mit seinem Reformversuch als Bettvorleger gescheitert. Trotzdem hat es sein Einsatz verdient, gewürdigt zu werden. Auch die Wertevernichtung bei der Deutschen Bank ist Teil des Versagens der Big4-Regulierung.

Eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Unabhängigkeit sollte die Aufspaltung der Big4 in sog. Pure Audit Firms und Beratung-Firms werden. Barnier hatte erkannt, dass Prüfung und gleichzeitige Beratung den Prüfer blind und befangen macht. Dieser "Pure Audit Firm"-Versuch war aber schnell vom Tisch. Ebenso die Softlösung, die Trennung von Beratung und Prüfung beim gleichen Mandat. Denn auch die Einschränkung der Beratung des Big4-Beratungsgeschäfts störte das Big4-Geschäftsmodell nicht im Geringsten. Im Frühjahr 2014 gab es einen 70%-Schlüssel, der sogar die Beratungssucht der Big4 noch anheizte.

 

Ergebnis des EU-Big4-Reförmchens

Die aktuellen Beratungsquoten von PwC bei VW belegen, dass die Barnier-Reform tatsächlich nichts zur Unabhängigkeit und damit zur Qualitäsverbesserung beigetragen hat.

 

Die Gefährdung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers durch einen zu hohen Anteil nicht abschlussprüfungsbezogener Leistungen ist ein sehr altes Thema. Dass Thema Beratung hat aber vor allem bei kapitalmarktorientierten Unternehmen große Bedeutung, weil es im mittelständischen und nicht-gelisteten Sektor andere Möglichkeiten gibt, die Unabhängigkeit sicherzustellen.

 

Die Professoren Zülch, Pronobis und Krauß kommen in ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zu dem Ergebnis, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers umso eher eingeschränkt ist, je höher der Honoraranteil des betreffenden Mandanten am Gesamthonorar des Abschlussprüfers im betrachteten Zeitraum ist.

 

Warum die Beratungsfunktion die Prüfungsfunktion neutralisiert.

Prüferdilemma

Deutlicher bringt Dr. Blomert in dem Beitrag "Wie viel Demokratie verträgt die Börse“ (2007, Leviathan, S. 430 ff.) das Prüferdilemma auf den Punkt. Für Dr. Blomert neutralisiert die Beratungsfunktion die Prüfungsfunktion:

„Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften betrachteten ihre ursprüngliche treuhänderische Aufgabe bald nur noch als Türöffner für die profitablen Beratungsgeschäfte. Damit aber verloren sie ihre Unabhängigkeit und begannen, sich enger an die Wünsche ihrer Kunden anzupassen. Es entstand ein interner Kodex der „kooperativen Buchprüfung“ mit Gefälligkeitsgutachten. Buchprüfungen verloren ihre Funktion, Vertrauen in die Börsen zu schaffen (siehe aktuell Deutsche Bank, Anm. Red.).

 

Das Vertrauen wurde durch Werbung und umfangreiche Öffentlichkeitsaktionen ersetzt, mit denen eine positive Stimmung erzeugt wurde. In der Euphorie fiel es kaum auf, dass Gewinnprognosen oftmals bis auf die Kommastelle eingehalten wurden. Niemand schien sich zu fragen, wie denn solche erstaunlich exakten Berechnungen zustande kamen. Tatsächlich hatten sich die Buchprüfer eigene neue Modelle geschaffen, die solche Übereinstimmungen erst ermöglichten. Waren bis dahin Lagerbestände, Maschinen und Konten genauestens geprüft worden, so spielten nunmehr weiche Faktoren wie innovative Kapazität, Investorenvertrauen, Vertrauen der Kunden in die Firma und ähnliche Dinge eine Rolle für die Bilanz–Faktoren, die kaum adäquat gemessen werden können. Wenn die Unternehmen für ihre Berichte daher bestimmte Zahlen brauchten, waren die Buchprüfer mit den neuen Standards ihrer später so genannten kreativen Buchführung gerne zur Hand (vgl. Stiglitz 2004, S.145 ff.).

 

Aus den Auseinandersetzungen um die Frage der Trennung von Beratung und Buchprüfung waren der SEC die verdeckten Interessen der Buchprüfungsfirmen durchaus bekannt. Arthur Levitt, der damalige Leiter der SEC, hatte auf dieses Problem häufig hingewiesen und vom Gesetzgeber die Trennung von Beratung und Wirtschaftsprüfung verlangt. Er konnte das Anliegen jedoch gegen die einflussreihen Beratungsfirmen nicht durchsetzen, die die Parlamentarier so lange bearbeiteten und den Gesetzgebungsgang so lange verzögerten, bis die Ablösung von Arthur Levitt nach der Neuwahl des Präsidenten erreicht war (vgl. Levitt 2002).“

Vom süßen Gift der Bundlprüfung wird man nicht freiwillig lassen.

 

Schauen wir uns dazu die Beratungsquoten von PwC beim VW-Konzern näher an. Beim PwC-Honorar ragt das Jahr 2014 mit einer Auffälligkeit besonders heraus. Bei kritischer Grundhaltung denkt ein Wirtschaftsprüfer eher an die Aussage von "Prof. Quick" als an eine besonders hochwertig duchgeführte Prüfung. Denn ohne Unabhängigkeit kann ein Prüfer nicht prüfen. Die Bombe des US-Justizministeriums scheint kritischen Wirtschaftsprüfern Recht zu geben: Hat PwC möglicherweise den Dieselskandal gedeckt? Für einen Abschlussprüfer kaum vorstellbar, dass ein Prüfer von der Kompetenz einer PwC vom Dieselbetrug nichts erfahren haben soll. Wir meinen: Die Redepflicht scheint hier nicht funktioniert zu haben.

 

Das Schweigen der PwC in ihrem Testat 2014 interessierte auch die Bundestagsfraktion DIE LINKE. Sie stellte 2015 deswegen eine kleine Anfrage an die Bundesregierung. Der Inhalt der Anfrage fasst die die gesamte Brisanz des Dieselskandals für den Abschlussprüfer zusammen.

 

Der PwC-Chef stieg 2014 höchstpersönlich in den Prüferring und schon stieg die Beratungsquote um 70 Prozent auf eine noch nie gekannte Größenordnung von 17 Millionen EUR. Das Prüfungshonorar blieb stark dahinter zurück. Hatte vielleicht der 2014 stattgefundene interne Prüferwechsel zu Prof. Winkeljohann etwas mit dem Nichterkennen des Dieselskandals zu tun?

 

Es sind vor allem die sonstigen Beratungsleistungen die von 2013 um 6 Miollionen auf 11 Millionen im Jahr 2014 gestiegen sind. Welche Rolle spielte beim Honoraranstieg 2014 die Preisvergabe des Automotive INNOVATIONS Award durch PwC an VW?

 

Das extrem hohe Beratungssalär 2014 steht im Mittelpunkt der Aufklärung und Mängelsuche. Das Hinterfragen der 17 Millionen an Beratungshonorar muss besonders dann mehr gelten, wenn man die Worte von Prof. Quick auf sich wirken lässt. Er weist in seinem Fachaufsatz auf die große Gefahr des „Anfütterns“ des Prüfers für das unabhängige Prüfungsurteil des Prüfers hin. In seinem Forschungsbericht „Prüfung bei gleichzeitiger Beratung“ wird Prof. Quick deutlich: „Zudem könnten Beratungsleistungen vom Management an den Prüfer vergeben werden, um solchen Zahlungen einen legalen Charakter zu verleihen.“ Dabei zitiert Prof. Quick nur R. Antle (1984) aus Auditor Independence (in: Journal of Accounting Research, Vol. 22, Spring, S. 1–20).

Solange der ehemalige PwC Vorstand die Leitung der Berufsaufsicht innehat, wird es aber keine Untersuchung geben. Die WPK hat schon vorsorglich auf den fehlenden Anfangsverdacht hingewiesen.

Na denn, Gute Nacht, Wirtschaftsprüfer: Reform gelungen, Wirtschaftsprüfer tot.