Konkurrenz hebt die Qualität

Michel Barnier im Juni 2012 zur Anhörung zum Grünbuch
Michel Barnier im Juni 2012

Warum die Big Four mehr Wettbewerb brauchen?

Es ist eine alte Erkenntnis, dass Kartelle, Monopole und Oligopole keinen Beitrag zum „Wohlstand für alle“ leisten. Stattdessen gilt: „Wohlstand für alle und Wohlstand durch Wettbewerb gehören untrennbar zusammen. Das erste Postulat kennzeichnet das Ziel, das zweite den Weg, der zu diesem Weg führt“. So brachte es schon Ludwig Erhard, der "Vater des Wirtschaftswunders" auf den Punkt.

Die Mängel der Big4-Wirtschaftsprüfer sind haarsträubend. Nicht nur die Aktionäre müssen dafür zahlen. Fast alle Mitglieder der Gesellschafter sind Auszahlungsstelle für die volkswirtschaftlichen Schäden des Big4-Oligopols. Dieses Oligopol wieder in Richtung Big10 zu führen und Wettbewerb einzuführen, war das Ziel der EU-Reform von Kommissar Michel Barnier.

Nehmen wir das Ergebnis vorweg: Nichts von dem, was EU-Kommissar Barnier anstrebte, hat er erreicht. Es kam noch schlimmer: Was Wirtschaftsminister Gabriel und seine rechte Hand, Staatssekretär Machnig, die Abgeordneten der Großen Koalition beschließen ließen, ist ein Verrat am Koalitionsvertrag.

 

US-Justiz arbeitet die Schäden der Big4-Prüfungen auf

PwC sah sich im Sommer 2016 mit einer Schadensersatzklage von 5,5 Milliarden US-Dollar konfrontiert. Inzwischen wurde diese per geheim gehaltenem Vergleich mit dem Insolvenzverwalter aus der Welt geschafft.

Dies führt uns einmal mehr vor Augen, dass das Oligopol in der Big4-Wirtschaftsprüfung eingehend überprüft werden muss. Wenn die Nachfrager nach WP-Leistungen bald keine echten Alternativen mehr haben – wie große Unternehmen bei der Wahl des Abschlussprüfers – stimmt etwas nicht. Ein Markt braucht kluge und klare Regeln, um ein wirklich freies Spiel der Kräfte zu gewährleisten und um Deformationen und Auswüchse, wie den Big Four, zu vermeiden.

Die Financial Times vom 24. August 2016 hatte darüber berichtet:

Der Treuhänder einer insolvent gegangenen US-Hypothekenbank namens Taylor, Bean & Whitaker hatte von der global tätigen WP-Gesellschaft PwC Schadensersatz in Rekordhöhe verlangt. Der Abschlussprüfer hatte massiven Betrug, der von TBW-Mitarbeitern in Zusammenwirkung mit einem anderen Finanzierer, der 2009 pleite gegangenen Colonial Bank begangen wurde, schlicht „übersehen“.

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise und den diversen Skandalen, die enthüllt wurden, ist zum Vorschein gekommen, dass meistens Banker dolose Handlungen begangen hatten. Allzu oft gab es aber auch äußerst kooperative Komplizen. Dazu gehörten die Wirtschaftsprüfer, die allzu schnell Jahresabschlüsse testiert haben, die dann als betrügerisch entlarvt wurden.

Der Fall Arthur Anderson war wohl kein Einzelfall, er war eher die Spitze des Eisbergs, aber auch ein Fanal ohne Lerneffekt.

Für den Berufsstand altbekannte Fragen, die bis zum Enron-Skandal vor 15 Jahren zurückreichen, sind immer noch ungeklärt. Damals waren in Folge des größten amerikanischen Bilanzskandals nicht nur 20.000 Mitarbeiter arbeitslos geworden. Auch der verantwortliche Abschlussprüfer, der WP-Global-Player „Arthur Andersen“ wurde zerschlagen.

Die Fragen von damals werden auch heute gestellt: Wo blieb im Vorfeld der Finanzkrise die Berichtspflicht der Abschlussprüfer?

Lesen Sie dazu im wp.net-magazin: Wirtschaftsprüfung im Sumpf der Bankenprüfer

 

US-Justiz arbeitet die Schäden der Big4-Prüfungen auf

Welche Verpflichtung haben Prüfer, derartig schädliches Verhalten ein für alle Mal auszuschließen? Wie kann diese global betrachtet oligopolartige Prüferbranche so umgestaltet werden, dass Wirtschaftsprüfungsgesellschaften davor bewahrt werden, zu Komplizen ihrer Klienten zu werden?

Wirtschaftsprüfung ist nicht nur ein Geschäft, sie ist eine wichtige öffentliche Aufgabe. Ohne Vertrauen in die Richtigkeit der Jahresabschlüsse von Unternehmen, kann der Motor der Marktwirtschaft und das Börsengeschehen ins Stottern geraten, mit schwerwiegenden Auswirkungen für die Gesellschaft.

Wirtschaftsprüfer sehen ihre Aufgabe zwar eher ähnlich einem „Wachhund“, denn einem „kriminalistischen Spürhund“. Trotzdem stellen die so genannten Big Four einen traurigen Rekord auf, wenn es darum geht, schlechte Unternehmensführung aufzuspüren. Ihre Versäumnisse schließen den Zusammenbruch von MF Global und Lehman Brothers genauso ein, wie die Bilanztricksereien von Xerox und das Schneeballsystem eines Bernard Madoff.

Man kann sich fragen, ob der Berufsstand genug getan hat, um diese Mängel zu beheben. Natürlich verlangen die Regeln Prüfer, die hinreichende Sicherheit darüber erlangen, ob der Jahresabschluss frei von wesentlichen falschen Angaben ist, die durch Fehler oder Betrug verursacht wurden. Aber Versuche, Prüfungs-Urteile jenseits des traditionellen sog. „pass/fail-Review“, hin zu einer differenzierteren Risikobewertung zu bewegen, verlaufen sowohl in den USA als auch in Europa stockend.

 

Dringend nötige Reformen

Damit solche Reformen funktionieren, müssen Prüfer sich auf jeden Fall daran erinnern, dass auch Investoren zu ihrem eigentlichen Kundenkreis gehören. Das heißt, sie sollten mit den Entscheidungsträgern, die Verträge unterzeichnen, nicht auf zu vertrautem Fuß stehen. Versuche, den Wirtschaftsprüfern mehr Unabhängigkeit einzuprägen, sind bislang zu zaghaft gewesen. Während Europa die obligatorische Rotation verhalten angenommen hat, hat der US-Berufsstand Bestrebungen, große Unternehmen zu zwingen im Laufe der Zeit den Wirtschaftsprüfer zu wechseln, erfolgreich zurückgedrängt. Die Behörden müssen mutiger sein. Wirtschaftsprüfer und die Entscheidungsträger werden meistens dann zu „kumpelhaft“, wenn die Mandatsinhaber den Eindruck haben, dass sie Mandate sicher behalten können, ohne dass ein reelles Risiko besteht, ausgetauscht zu werden.

Die Big Four haben ihren Anteil daran, wenn sie Unternehmen nicht „stören“, an die sie andere Dienstleistungen verkaufen wollen. Die Big Four verdienen nämlich inzwischen mehr Geld mit dem Nicht-Prüfungsgeschäft, als mit der Prüfung. Es gibt aber definitiv Grenzen des sog. „cross-selling“ und diese müssen auch verschärft werden.

Anders gesagt, das Prüfungsgeschäft braucht mehr Wettbewerb. Vier große Firmen sind zu wenig, nicht zuletzt macht dieser Mangel die Einführung einer strikten Regulierung deutlich schwieriger. Die Förderung neuer Marktteilnehmer sollte Priorität haben. Doch die Marktregeln, die von qualifizierten Prüfern verlangen Prüfungsgesellschaften zu kontrollieren, erschweren es sehr, Drittmittel für neue Projekte zu finden. Die Öffnung der Inhaberschaft von Prüfungsgesellschaften, oder sogar ein Aufbrechen der Big Four-Struktur, dürfte noch der einzige Weg sein, die Branche aufzurütteln und den Wettbewerb zu schaffen, der dringend benötigt wird.